Sonntag, 26. Oktober 2008

Statement

Meine grösste Angst war schon immer, unverstanden zu sein. Ich habe so oft erlebt, daß meine Wahrnehmungen negiert oder abgeschwächt wurden, seit früher Kindheit an und langsam verstehe ich besser, warum das so ist.
Es ist wahrscheinlich wirklich nur sehr schwer nachvollziehbar, wie ich bin, und was ich fühle. Die Masse meiner Eindrücke und die heftigen Themen, mit denen ich, vor allem zur Zeit, pausenlos um mich werfe, das hohe Mass an Leiden, von dem ich berichte, und dazwischen die scheinbar unangemessene Blödelei und hoffnungsvolle Gedanken, das wird irgendwann jedem wohl zuviel.
Wenn schon ich im Moment von diesem Wust, der nicht nur in meinem Inneren, sondern auch im Aussen stattfindet, permanent überfordert bin, obwohl ich als Hochsensible an so etwas relativ gewöhnt bin, wie soll das jemandem anderen gelingen, vor allem über so eine lange Zeit?
Ich habe mich, als ich dieses Forum für Hochsensible entdeckt hatte, eine Weile dort rumgetrieben, und festgestellt, daß da Hunderte von Menschen sind, die genau solche starken Wahrnehmungen haben, sich genau mit den Gleichen seelischen und gesundheitlichen Problemen rumschlagen, und mit den Reaktionen der Aussenwelt genauso frustrierende Erfahrungen durchlebt haben. Zum Teil war das für mich eine Offenbarung, und hat mir viel von meinen immer vorhandenen Schuldgefühlen ein "schwieriger Fall" zu sein, erleichtert, man bekommt Tipps, und Verständniss, und kann überall mitfühlen. Dennoch habe ich es irgendwann vorgezogen, mich nicht zuviel dort zu bewegen, weil es mich letztlich noch mehr von anderen Menschen entfernt, und ich das Gefühl habe, zu stagnieren, wenn ich mich nur noch auf andere hochsensible Menschen konzentriere. Es gibt auch da eine gewisse Arroganz, (die natürlich eine Schutzreaktion auf die Arroganz der Leute ist, die Hochsensible als zickig und beifallheischend abtun), aber es gefällt mir nicht so gut, das wiederspricht meiner eigenen Art, ich will nicht in einer Art Herde landen, und mich nur trösten lassen, obwohl das natürlich sehr guttut. Ich möchte lieber hier draussen, bei Euch sein, und bei der Schilderung des Lebens einer Hochsensiblen neues Verständniss bewirken, für mich, und damit auch für alle Menschen, die diese Eigenschaft haben, und darüber nicht schreiben können, und die starken Einschränkungen, die so eine Eigenschaft mit sich bringt, irgendwie in ihr Leben intergieren müssen, weil sie sonst gar nicht überleben könnten. Die von ihren Mitmenschen Spott und Unverständniss ernten, und ihr wundervolles Potential niemals wirklich entfalten können, weil der Alltag ihre gesamte Kraft fordert. Die, WEIL sie so hochsensiblel sind, an dem Spott und dem Unverständniss eingehen können, weil ihr Umfeld sie allein lässt.
Darum schreibe ich weiter, denn wenn ich nur ein klitzekleines Bisschen Verständniss in dem einen oder anderen Menschen bewirken kann, habe ich viel erreicht. Vielleicht sieht der eine oder Andere hochsensible Menschen in seinem Umfeld mit neuen Augen, vielleicht gehört der Eine oder Andere fortan nicht mehr zur Gruppe der Spötter oder Verständnisslosen, sondern vermag seine Augen einer anderen Realität ein bisschen zu öffnen. Vielleicht versteht sich auch der Eine oder Andere selbst ein bisschen besser.
Ich selbst konnte früher nie verstehen, WARUM mich andere nicht verstehen können. Ich habe nur meine eigenen Referenzpunkte, und glaubte, daß alle Menschen so sind, doch dasselbe fühlen müssten wie ich.
Das Schreiben dieses Blogs hilft mir auch, mit der Tatsache besser klarzukommen, daß es nicht so ist, hilft auch MIR, besser zu verstehen, hilft mir letztlich, über Spott und Unverständniss besser hinwegzukommen.
Die sicher leider manchmal auch unangenehmen Gefühle, die mein Blog bei manchen Lesern hervorrufen mag, erlauben vielleicht manchmal einen direkten Blick in meine Gefühlwelt und deren Intensität. Vielleicht eine Ahnung meiner Realität.
Ich habe mich viele Jahre für mich geschämt, war viele Jahre allein mit allem, und sicher wäre das Leben leichter für mich, würde ich mich von allem entfernen, was mich stresst, aber das hiesse, zu resignieren, mich abfinden, mich kleinmachen und ruhigstellen, und das ist kein Leben, für mich wäre das das Ende.
Das darf ich nicht tun, weil ich es mir selbst nie verzeihen würde, nicht alles versucht zu haben.
Ich habe selbst nicht ahnen können, daß sich mein Blog so entwickelt, ich bin selbst überrascht wieviel da aus mir rausdrängt, und wie sehr es mir im Moment hilft, mich NICHT aufzugeben, und nicht zu verbittern, was ich entsetzlich fände. Irgendwann kommen auch wieder bessere Zeiten, und ich werde Euch auch immer wieder mit Blödeleien und schönen Bildern zu erfreuen versuchen, und danach trachten, auch die schönen Seiten meines Lebens zubeschreiben, denn auch da herrscht Intensität.

Ich danke für Eure Aufmerksamkeit!
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Lady Sunflower - 2008/10/27 17:51

Unverstanden sein ist etwas Schlimmes. Es macht traurig, wenn alle Versuche, sich zu artikulieren, anderen klarzumachen, was einen bewegt, scheitern.
Besonders schlimm sind die gutgemeinten Ratschläge von Menschen, die nicht wissen, worum es eigentlich geht. Oft ist das so bei psychischen Erkrankungen, wie beispielsweise, wenn jemand einem Depressiven rät: "Hey, mach doch nicht so ein Gesicht! Lach doch mal endlich!"
Es ist schwierig, man darf dem Gegenüber nicht sauer sein, weil er es ja nur gut meint, aber man weiß, der kann jetzt reden und reden und es bringt mir aber gerade nichts. Und manchmal tut man so, als hätte es geholfen. Aus Höflichkeit.
Aber es gibt auch Menschen, die den Kern der Sache verstehen. Die wissen, was Dich bewegt. Oder die es wenigstens schaffen, sich in Deine Situation einzufühlen. Solche Menschen wünsche ich Dir, ganz nah in Deinem Umfeld, liebe Mone.

rinpotsche - 2008/10/27 19:57

Ich hab jetzt bestimmt schon zwanzig Blätter Kommentar zerknüllt. Bin weg von ausufernden Eigenstories, Lamentiererei über den eigenen, unverstandenen Zustand und Reinwaschungen.
Frau Sunflower hat viel auf den Punkt gebracht. Was ich aber vermisse, ist die Erwähnung der Gegenseitigkeit, die für eine Beziehung doch maßgeblich ist. Mone beschreibt die Beschäftigung mit nicht Hochsensiblen als eine Erdung ihrer selbst, weil es sonst ein Strudel werden könnte, der die Ränder verschlingt. Du greifst Kommentare auf, die möglicherweise nicht nur "gut gemeint" sind, sondern auch ein Ausdruck von Verzweiflung sein können, wenn man merkt, dass nichts mehr recht geht und trotzdem die Zuneigung da ist. Ich komme nicht ganz klar damit, ob ihr beide Freunde damit meint, oder irgendwelche Nachbarschaftsfloskeln. Höfliches Abnicken ist für mich in jedem Falle ein Ausdruck von Leckmichamarsch. Wenn persönliche Wichtigkeiten im Gespräch eine Rolle spielen, dann sollte in solchen "unverstandenen" Situationen das klar gesagt werden. Mit Respekt.
Es gibt auch Menschen, die bei dem Versuch, sich einzufühlen, hängenbleiben und sich u.U. genauso beschissen fühlen wie die oben beschriebenen.
momoseven - 2008/10/28 20:01

Danke Euch Beiden

für Eure Gedanken.
Im Moment vermischt sich ja meine Sensibilität mit einem lange andauernden Krankheitszustand, und sicher kommen nach der langen Zeit einige Sachen etwas theatralischer rüber, die ich sonst mit einem Schulterzucken hätte abtun können.
Die letzte Nacht habe ich mal wieder in einem Krankenhausbett verbracht (Email für rinpotsche), und durfte etwas erleben, was für mich sehr gut zu unserer Thematik hier passt. Ich lag mit 2 älteren Frauen im Zimmer, die eine konnte nicht reden, guckte die ganze Zeit total entsetzt, und röchelte die ganze Zeit an ihrem Schleim, was sie auch kaum schlafen liess (und mich auch nicht, denn ich lauschte die ganze Zeit, ob sie auch wirklich noch atmet) Ihre Arme waren mit Wunden übersäet, und sie hatte einen Schlauch, der aus einem entzündeten Loch aus ihrem Bauch rauskam. Die andere, eine 70 jährige sehr dicke Russin,mit Diabetes, wahrscheinlich Gallensteine, sie hatte starke Schmerzen im Bauch und in ihren Augen, es war ihr dauernd schwindelig, weswegen sie nie lange liegen konnte, und sich laut lamentierend, und zuweilen weinend ständig im Bett rumwälzte. Sie sprach ein so schlechtes, nuscheliges Deutsch, daß ich sie kaum verstand, und wenn sie wach war, und sah, daß ich die Augen offen hatte, redete sie. Ich lag zwischen den beiden, selbst ängstlich und mit starken Schmerzen, und um uns herum tobte die Schwesternschaft, nett, aber immer im Zeitdruck. Desshalb hörte ich ihr zu, wenn ich konnte, fragte sie über ihr Leben, und sie fragte mich über mein Leben, wir erzählten uns, warum wir hier sind, und guckten immer wieder nach, ob die röchelnde Frau noch atmete.
Da ich überraschend direkt vom Hausarzt in die Klinik musste, musste ich telefonisch jemanden bitten, mein Auto umzuparken, ich war sediert und völlig fertig und wurde ob der Ungelegenheit die ich verursache, ungeduldig und unfreundlich angeschnauzt, mir wurden Vorwürfe gemacht, und ich kam kaum zu Wort, konnte mich nicht wirklich artikulieren, nur noch verteidigen. Das machte ich so fertig, daß ich, nach Beendigung des Telefonats schrecklich weinen musste, vielleicht kam da auch der ganze andere Druck mit raus. Ich versuchte, lautlos zu weinen, was aber nicht ging, und plötzlich kam vom Nachbarbett ein "Weinsch Du etwa, Mädle?", und diese schwerkranke Frau wuchtete sich mit ihren Schläuchen und Schmerzen aus ihrem Bett, nahm meine Hand, wischte mir die Tränen weg, und summte irgendetwas liebes und beruhigendes vor sich hin. Irgendwann konnte ich wieder sprechen, wir hielten uns an beiden Händen, und ich musste sie echt in ihr Bett schicken, sie hatte nicht mal Hausschuhe angezogen. Irgendwann wurde sie zum Röntgen geholt, und wir warfen uns Kusshände zu, und die Schwestern fragten, ob wir uns schon lange kennen. Sie wurde dann heute morgen verlegt, ich hoffe, sie wird es überleben.
Geteiltes Leid, ist halbes Leid.
Ist es wirklich so, daß nur die, die das Gleiche fühlen, auch Mitgefühl zeigen können?
Was diese dicke, hässliche, alte und dumme Frau (denn so würde man auf den ersten Blick über sie urteilen können, ob ihrer Sprache, und ihrem Lamentieren), was diese wunderbare Frau mir geschenkt hat, war reines, liebes Mitgefühl, einfach, weil ich weinte, der Grund war in dem Moment völlig nebensächlich.
Vielleicht ist es im Grunde nur das, was mir manchmal an meinen Mitmenschen fehlt, sei es daß sie mir nahe stehen, oder nicht.
Das reine Mitgefühl ist unbedingt, und frei von Gründen oder Fakten. Natürlich ist es anders, und viel, viel schwieriger, wenn man eine, über längere Zeit leidende Person in seinem näheren Umfeld hat, man weiss, daß Krankenschwestern abstumpfen mit der Zeit, um sich selbst zu schützen, und es ist wohl der, oft absolut verständliche Selbstschutz, der unsere Welt leider oft ein bisschen kälter macht.
Ich möchte mich vor allem, egal ob nun hochsensibel oder nicht, für Verständniss und vor allem Mitgefühl einsetzen, das für mich als eigene Grösse jenseits jeglicher Diskussionsthemen, und unterschiedlicher Lebensauffassung steht.

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