Sonntag, 4. Januar 2009

Selbstgespräche

Für ein Wochenende bin ich zurückgekehrt in eine Welt, die bisher meine "reale" Welt war. Jetzt ist es umgekehrt, die Welt, (die Klinik) ist für mich realer, als der Ort, den ich üblicherweise als mein zuhause bezeichnet habe, und den ich jetzt langsam mit ganz anderen Augen zu sehen beginne. Das liegt möglicherweise an den Erwartungen, die ich in den verschiedenen Welten zu erfüllen habe, an dem Feedback, das unterschiedlicher gar nicht sein kann.
In der einen Welt bin ich, bis auf wenige kostbare Ausnahmen, allein, eine Fremde, die gelernt hat, ihr Innerstes zu verbergen, es hinter ihrem freundlichen Lächeln zu verstecken, und die gar nicht mehr weiss, wie sie sich fühlt, weil sie so lange eine Rolle gespielt hat, von der sie glaubte, daß die anderen sie dann lieber mögen. In der anderen Welt gibt es viele, denen es ganz ähnlich geht wie ihr, und viele, die ihr Lächeln und ihren Redefluss durchschauen, dahinterschauen, und auf der Suche nach der Mone sind, die sich verloren geglaubt hat, weil sie sich selbst nicht mehr fand, nur diese Rolle von ihr. Die krank wurde, weil sie diese Rolle nicht mehr gut spielen konnte, der Text entfallen, und die Gefühle, die nun heraufsteigen, passen nicht zum laufenden Stück.
Ich beginne, zu verstehen, warum ich das tue, aber ändern kann ich es noch nicht, und manchmal glaube ich, das schaffe ich nie!
Dennoch, es wird mir, manchmal mehr oder weniger glaubhaft, versichert, daß es möglich sei, und da ich mich entschlossen habe, zu vertrauen, und von meiner Seite alles zu tun, was mir möglich ist, ist da ein ganz kleiner Hoffnungsschimmer.
Ein ganz, ganz kleiner. Manchmal.
In ein paar Stunden fahre ich zurück in diese Welt, in der ich weinen darf, und schwach sein, und müde, und traurig, und verzweifelt, wenn mir danach ist, aber auch herzlich lachen, und albern sein, und manchmal NEIN sagen. In der ich in den Arm genommen werde, und in der mir zugehört wird, auch meinen unausgesprochenen Worten, denen ganz besonders.
In der ich mir das Wichtigste sein darf, und in der ich keine Rolle spielen muss, die nicht zu mir passt.
Ich frage mich, wievielen Menschen geht es ganz ähnlich, und kämen niemals auf die Idee, etwas daran zu ändern.
Ich glaube, sehr, sehr viele.
Viel zuviele!
ICH bin froh, diese Chance zu haben!
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Nachtgezwitscher - 2009/01/04 11:45

Hmm. Man kann/soll bestimmt alles sagen, was einem wichtig ist. Wenn man lange deprimiert ist, sollte man das die anderen allerdings nicht immer spüren lassen, denke ich. Manchmal tut es gut, in Gesellschaft einfach zu vergessen.

Und dann ist dieses Umfeld, in dem du im Moment dein aufgesetztes Ich trägst, deine Familie. Ist es nicht bei sehr engem Kontakt normal, dass man zum Schutz der Gemeinschaft nicht alles offenlegt? Der Gedanke steht zur Diskussion.

Dann sagte mir eine Psychologin mal, es gebe drei Ebenen (Ich frage mich immer noch, ob ich das richtig verstanden habe):
1) Sich selbst und das, was man fühlt und denkt,
2) alles äußere (Erwartungen, Situationen usw)
3) Das, was man nach Abwägung der äußeren Umstände tatsächlich tut
Ich glaubte verstanden zu haben, dass man mit Ebene 1 im Reinen sein muss. Solange man sich selbst wahrnimmt und seine Gefühle akzeptiert und zu ihnen steht, ist vielleicht gar nicht so wichtig, was auf Ebene 2 und 3 passiert. Mit sich selbst im Einklang sein ist das Wichtige. Im Idealfall ist es also, wie ich verstanden zu haben glaube, gar nicht so wichtig, ob man sich vor anderen verstellt, sondern, dass sich selbst kennt und richtig wahrnimmt und akzeptiert. Probleme treten dann auf, wenn man sich selbst nicht mehr akzeptiert und versucht, seine Ebene 1 zu verändern. Bei dir klang das so, als hättest du Ebene 3 zu Ebene 1 gemacht. Beobachte ich bei mir selbst auch manchmal. Ein Gewaltakt sich selbst gegenüber. Krasse Sache... Sehr spannend aber auch, denn dabei geht man davon aus, dass man sich selbst nicht mehr kennt. Stell dir mal vor, was du jetzt alles entdecken kannst! Vielleicht gibt es in dir Seiten, die du vergessen hast. Ich glaube, das eigentliche Problem ist dann, dem Entdeckten den richtigen Wert beizumessen. Ein Selbstwertgefühl aufzubauen. Wünsche viel Erfolg dabei!

Lady Sunflower - 2009/01/04 12:43

Entstehen die meisten Konflikte zwischen Menschen nicht dadurch, dass die Erwartungen der Einzelnen nicht miteinander in Einklang zu bringen sind?

Ich kenne auch Situationen, in denen ich versucht habe, alle Erwartungen, die an mich gestellt wurden zu erfüllen und in denen ich mehr die Rolle, die ich spielte, war als ich selbst.
Irgendwann habe ich dann gemerkt, dass Menschen, für die ich eine Rolle spielen muss, MICH im Grunde gar nicht mögen. Es gibt Menschen, die wollen, dass man sich ihnen ganz und gar angleicht -ihren Interessen, ihren Launen, ihren Neigungen. Und immer dann, wenn ein Stück Ich hervorblitzt, drängen sie Dich in die Defensive. Dann musst Du Rechenschaft ablegen dafür, dass Du bist wie Du bist. "Du hast einmal XYZ gesagt. Darum sehe ich Dich heute so." etc. Einer ehemaligen Freundin gegenüber habe ich mal einen Scherz über den Umfang ihres Babybauchs gemacht. Sie hatte zuvor verzweifelt versucht, schwanger zu werden und da dachte ich mir, sie fände es lustig. Pustekuchen. Sie war stockbeleidigt. Aber so bin ich. Direkt, offen und ehrlich. Das gehört zu mir, so wie meine Nase. Wer meinen trockenen Humor, der ein Teil von mir ist, nicht versteht, der mag mich nicht.
Eine andere Person meinte sie habe das Gefühl mich mit Samthandschuhen anfassen zu müssen, weil ich nicht dazu bereit war, ihr persönliche Dinge von mir zu erzählen. Ich war noch nicht so weit, unsere Freundschaft war noch nicht so gefestigt, dass ich mich ihr gegenüber öffnen konnte. Alles was ich tat (auch wenn ich mich ein paar Wochen lang nicht meldete, weil ich viel für mein Studium zu tun hatte) interpretierte sie so, dass ich sauer auf sie wäre, beleidigt, weil sie irgend etwas gesagt hätte, etc.
Das war mir auf die Dauer zu anstrengend. Sicher, sie hatte wirklich nette Seiten - mit wenigen Menschen konnte ich so lachen wie mit ihr - aber ich hatte einfach das Gefühl, nicht wirklich Ich sein zu können bei ihr.
Und immer, wenn ich das Gefühl habe, mache ich den Rückzieher.
So bin ich. Und im Moment scheint mir das auch der richtige Weg zu sein.

Liebe Mone, es ist wirklich eine komplizierte und verquickte Situation, in der Du da steckst. Aber ich denke, wenn Du lernst, nicht nur in der derzeit "realen" Welt Du selbst zu sein, sondern auch im Alltag, dann steckt darin eine Riesenchance. Die Menschen, die Dich dann, wenn Du wirklich mal Du selbst bist, mögen und lieben, sind Deine wirklichen Freunde. Daran erkennst Du sie. Sicher kann es gut sein, dass Beziehungen kaputt gehen, aber Beziehungen, in denen Du Dich immer verstellen musst, tun auf Dauer nicht gut.
Es geht nicht darum, alle Gefühle immer sofort rauszulassen und jegliche Kontrolle darüber zu verlieren, aber Deine Grundstimmung darfst Du anderen zeigen. Wenn ich z.B. richtig traurig bin, dann weine ich.

So, jetzt habe ich genug geschwallt. Tut mir leid, wenn einiges sich vielleicht etwas konfus liest, aber dies ist ein Thema, das mir nahe geht. Sehr nahe.

Nachtgezwitscher - 2009/01/04 14:54

Auch ein schöner Text. Hat mich zum Nachdenken gebracht. Und zeigt wunderbar natürlich und selbstverständlich, wie man zu sich stehen kann. Tut gut :-)
momoseven - 2009/01/04 14:03

Vielen Dank

Vielen Dank für Eure sehr intensiven Kommentare.
Ich weiss nicht, ob ich gerade auf alles genau eingehen kann aber ich will es versuchen:
Ich habe vor längerer Zeit aus mir unbekannten Gründen den freien Zugang zu meiner Gefühlswelt verloren. Nur mit Hilfe von Alkohol oder im mich Verlieren in der Musik konnte ich in den letzten Jahren etwas hervorholen, was sich wie ECHTE Freude anfühlt. Der Grund war meines Erachtens, daß ich "negative Gefühle " wie Angst oder Verzweiflung oder Trauer nicht mehr ertragen konnte, und in dem ich diese Gefühle zu unterdrücken versuchte, auch die Freude unterdückt habe.
Mein "Substitut" wurde der Gedanke, das Wort, ich verdeckte meine verlorenen Gefühle unter einem Redeschwall, unter endlosen Analysen, deren Ordnen mir eine gewisse Befriedigung verschaffte.
Wenn das nicht mehr geht, lande ich in der Lustlosigkeit, in der Depression, so wie an diesem Wochenende, daß ich traurig begann, dann begann mein Herz zu stechen, und inzwischen bin ich wieder erschöpft im grauen Zimmer. Ich bin in einer Familie grossgeworden, die Harmonie um "fast" jeden Preis erhalten will, ich habe nie streiten gelernt, ich durfte nie Unmut kundtun, ich wurde bestraft, wenn ich es mal versuchte, und inzwischen kriege ich Panik, wenn ich es versuche.
Wenn Du als Kind einmal gehört hast: Ich hab Dich nicht mehr lieb, wenn Du Deine eigene Meinung und Deine eigenen Gefühle auszudrücken versuchst, Deine eigenen Bedürfnisse berücksichtigen willst, wenn beim kleinsten Anflug einer Diskussion Dein Gegenüber türenknallend verschwindet, oder Dich wortgewaltig in Grund und Boden stampft, so daß Dir nichts mehr einfällt, dann machst Du das lieber nicht mehr, und irgendwann vergisst Du völlig, wie das eigentlich geht, und, wie wichtig es eigentlich ist. Ich habe unglaublich viel Mitgefühl für alle Wesen, nur für mich habe ich sehr wenig davon, das wird mir langsam klar. Ich hatte immer gehofft, das bekäme ich automatisch zurück.
Ich habe sehr lange den schmalen Grat beschritten, den Versuch, meine Probleme so auszudrücken, daß mein Umfeld sie ertragen kann, nicht abgestossen wird, und ich trotzdem ein gewisses Mass nach aussen bringe, für viele war ich lange Jahre eine starke Person, zu der man alle Probleme tragen konnte, die immer zugehört und mitgedacht, mitgefühlt hat, aber es hat mir nicht gut getan, mich nur unendlich erschöpft mit der Zeit. Mein Lächeln, meine Freundlichkeit waren nie aufgesetzt, sie reichten bis zu meinem Herzen, aber nicht bis zu meinem eigenen Bauch, nicht bis zu MIR.
Es ist sehr schwer, das zu beschreiben, es ist eine Krankheit, die aus Selbstverleugnung entsteht, und so wirkt, daß man sich mit der Zeit selbst einfach nicht mehr spüren kann. Ich hatte noch Glück, daß ich mit meinem Geist viel anfangen kann, aber lange geht das nicht gut.
Ich weiss nicht, ob ich damit wirklich auf Eure lieben Kommentare und die darin enthaltenen Fragen eingegangen bin,
im Moment fällt es mir schwer, mich zu konzentrieren, weil die solange verborgenen Gefühle ans Licht drängen wollen, aber vielleicht wird es in den nächsten Wochen harter Arbeit möglich für mich, im Rückblick zu verstehen, was ich jetzt noch nicht sehen kann. Danke Euch, ich habe das Gefühl, Ihr seid irgendwie bei mir.

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