Freitag, 10. Juni 2011

Vergangenheitsbewältigung

Eine seltsame Sache geschieht gerade mit mir. In dem Maße, indem ich hier langsam in der Gegenwart ankomme, verarbeite ich derzeit meine Vergangenheit. Nicht nur die Nähere (mein Leben auf der Insel) sondern meine gesamte Vergangenheit. Vielleicht hat das tatsächlich was mit dem Fokus auf mein Alter zu tun, welches ich vor einigen Tagen gezwungen war, mal wieder verstärkt zu beachten. Diese Zahl zu sehen - 49 - mir das in gelebten, hinter mir liegenden Jahren wirklich mal bewusst zu machen, ist ein sehr, sehr seltsames Gefühl. In den letzten 4 Jahren habe ich mich körperlich sehr verändert. Der Zahn der Zeit nagte gefräßig an mir, der Unterschied, den ich früher all die Jahrzehnte kaum bemerkt hatte, ist nun für mich deutlich zu sehen und zu fühlen. Damit klarzukommen, es zu akzeptieren ist im Moment meine Hauptaufgabe. Im Sein ankommen ist erst möglich, wenn man all diese Unterschiede annimmt, wenn es einem möglich wird, im Fluß der Zeit zu leben und weiterzuschwimmen. Gut und auch gerne. Denn die Veränderung wird immer deutlicher, immer kontinuierlicher, man wird sie nicht mehr los, vielmehr erkennt man, daß sie schon immer ein Teil von einem war.
Seltsam, daß ich gerade vor einigen Tagen ein Fotoalbum entdeckte, welches ich meinen Eltern vor 12 Jahren schenkte, mit Fotos von mir zwischen 7 und 37 Jahren. Es passt genau in diese Thematik und hilft mir, den Wandel mit offenen Augen zu betrachten, und mein Jetzt mit neuen Augen zu sehen.
Wie hübsch ich einmal war, wie makellos mein Körper (im Vergleich zu heute), aber auch wie verrückt, wie unreif, wie unglücklich ich war. Wenn ich das heute sehe und nachfühle, dann kann ich spüren, daß ich alles gar nicht so schlecht gemacht habe, daß ich auf einem gar nicht so schlechten Weg bin. Denn das ist es, war es immer, ein Weg, auch wenn ich manchmal dachte, daß es so IST, daß ich an einem ORT bin, und nicht auf einem Weg.
Im Jetzt ankommen bedeutet, nicht mehr von der Vergangenheit eingefangen zu sein, sie nicht mehr zurückwünschen, nicht mehr wiederaufleben lassen zu wollen. Und genauso bedeutet es, nicht mehr an die Zukunft denken zu müssen, sich keine Sorgen mehr darüber zu machen, was in Zukunft sein wird. Ich bin noch lange nicht an diesem Punkt, aber ich bewege mich immer mehr darauf zu, es wird mir bewusster, daß dies möglich ist, manchmal.
Daß es irgendwann nicht mehr nötig sein wird, etwas loslassen zu müssen, weil man nichts mehr festhalten muss.
Und daß man nicht mehr nur das Resultat seiner eigenen Vergangenheit sein muss, sondern zu etwas wird, das aus der Summe all der vielen Jahre zu einem Neuen und Ganzen werden kann. Etwas Neuem.
Vielleicht ist es das, was uns diese körperliche Veränderung, die das Altern darstellt, schenkt, daß man andere, neue Werte finden kann, die man früher nicht mal im Ansatz erahnen konnte, weil einem sein scheinbar unsterblicher, so lange unveränderter Körper im Wege stand, und festhielt.
Und es ist doch schön, zu erkennen, daß man nicht nur etwas verliert, sondern auch etwas gewinnt.
Und auch entdecken kann, daß es Unveränderliches in einem gibt, was schon immer da war, das ureigene Wesen, das Unverwechselbare, nicht Austauschbare.

Ich entdecke dieses langsam, und merke, daß ich das an mir wirklich lieben kann!


10-Juni11-013


Ein Schönes Wochenende wünsche ich Euch!

:-)
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Chutzpe - 2011/06/11 09:44

Schöne, stimmige Worte - ich freue mich mit dir *drück*

momoseven - 2011/06/11 10:56

Schön, daß Du das so findest *Drückzurück*
Chutzpe - 2011/06/11 11:00

Ich weiss wie schwer das ist und ich wäre so froh, wenn ich die Vergangenheit endlich sein lassen und die Wut damit zum Verschwinden bringen könnte - ich hoffe, es geht in der Klinik ein Stück voran ;-)
momoseven - 2011/06/11 12:04

Es geht ja nicht darum, die Vergangenheit komplett zu vergessen, sondern eher darum, sie zu etwas Neuem und Guten umzuwandeln. Vielleicht kannst Du Deine Wut durch die Bearbeitung irgendwann mal in gute, lebendige Energie umwandeln, und Dir nicht mehr deine Lebenskraft rauben von ihr rauben lassen. Das wünsche ich Dir sehr!
Du bist bestimmt auf einem guten Weg!
:-)
Chutzpe - 2011/06/11 14:32

Jaja - so meinte ich das natürlich auch!

Das wäre so super - daran arbeite ich schon so lange, danke.
momoseven - 2011/06/11 23:58

Das kommt bestimmt. Du kümmerst Dich ja, läufst nicht davon sondern bearbeitest es, und auch wenn das alles viel Zeit braucht, es wird besser werden!
Nachti :-)
Chutzpe - 2011/06/12 00:07

Irgendwann sollte es ja mal werden - ich bin nur nicht so kampfwillig zur Zeit (eigentlich schon ziemlich lange).

Dir auch eine gute Nacht.
Kinkerlitzch3n - 2011/06/11 11:16

Wow, Momo, das hast du so schön ausgedrückt!

Ich dachte eigentlich, du wärst doch noch ein paar Jährchen jünger. Also ganz so schlimm ist der Verfall eh nicht.

Im Jetzt anzukommen empfinde ich als ziemliche Herausforderung und ich wünsche dir, dass du auf deinem Weg weiter gut voranschreitest!

♥ (<= !!) Kinker

momoseven - 2011/06/11 12:09

Danke, liebe Kinker!
Das war gestern wieder mal so ein "Fließtext", der einfach so aus mir rauswollte.
Tja, das etwas jünger aussehen, als ich bin, habe ich von meiner Mutter geerbt. Es passiert mir noch immer, daß ich für viel jünger gehalten werde, wenn mich jemand noch nicht kennt, oder sehr kurzsichtig ist ;-)
Aber Danke!
Weg, voranschreiten, genau das ist es, und wenn es gut ist, umso besser!
♥♥♥
(jetzt hast Du es drauf mit den Herzerln!)
Schönes Wochenende!
:-)
Nachtgezwitscher - 2011/06/14 17:58

*drück* ! Schön geschrieben!!!

momoseven - 2011/06/14 18:54

Danke, Liebe!!!

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