Kontinuität

In meinem letzten Post schrieb ich in den Kommentaren, daß ich unter anderem durch das Blogführen über 4 Jahre so etwas wie Kontinuität gelernt habe. Ich hatte mir vorher darüber nie wirklich Gedanken gemacht, aber in dem ich es aussprach (bzw. schrieb) rührte ich an ein, für mich sehr wichtiges Thema.
In den letzten Tagen kurvte das die ganze Zeit in meinem Kopf herum, und nun will ich mal versuchen, das für mich genauer zu fassen.

Ich glaube, wenn man Single ist, und auch keine Kinder hat, kann man, wenn man zudem Zwilling ist, und überdies in der Vergangenheit immer irgendwelche Dämonen im Hintern hatte, das Thema sehr gut umschiffen.
Ich weiß gar nicht, wo genau das bei mir herkommt, daß für mich allein das Wort immer einen verstaubten, starren, also eher negativen Charakter hatte. Vielleicht, weil ich in entscheidenden Lebensjahren in meiner Jugend (mit 6 und mit 13 Jahren) umgezogen bin. Möglich.
Wenn mich jemand früher über meine Zukunftspläne gefragt hatte, sagte ich meist, daß ich niemals weiter als 1 Jahr nach vorne schauen kann, und daß ich es auch gar nicht will.
Der Gedanke, mein ganzes Leben bis zur Rente, ja bis ins Grab zu verplanen, und festzumachen, war für mich absolut unmöglich, und bereitete mir größtes Unbehagen.
Mich in irgendeiner Form zu binden, mich festzulegen, mich zu "verplanen", das konnte ich mir absolut nicht vorstellen.
Für mich bedeutete Freiheit, daß ich mich in jedem Moment umentscheiden könnte, daß ich, wenn mir etwas nicht gefällt, was Neues beginnen könnte. Der Horrorgedanke für mich war immer, in einer Situation festzusitzen, die mir überhaupt nicht guttut, mich für etwas zu entscheiden, und dann zu spät zu merken, daß es die falsche Entscheidung war.
Man nennt so etwas auch "unbeständig", "flatterhaft", und "unentschlossen" und genauso war ich früher.
Und aus Angst, die falschen Entscheidungen zu treffen, traf ich oft gar keine Entscheidung, was einen auf Dauer aber auch nicht sehr glücklich macht, denn frei fühlte ich mich trotzdem nicht wirklich, sondern oft eher sehr verloren.

Neulich las ich mal wieder die Wüstenplanet-Bände, und traf auf einen Spruch, der mich irgendwie ansprach, und jetzt begreife ich ihn langsam auch.
Da stand:
"Suche die Unabhängigkeit, und Du wirst zum Gefangenen Deines Verlangens. Suche die Disziplin, und du wirst Deine Freiheit finden. ("Die Ordensburg des Wüstenplaneten", Bene Gesserit-Spruch)

Irgendwie ist mir das früher passiert, daß ich, in dem ich meinte, frei zu sein, in dem ich mich nicht band, glaubte, ich würde glücklich werden, aber in Wirklichkeit suchte und suchte ich, und suchte komplett an der falschen Stelle.

Die Kontinuität fand ich erst, als ich in die Situation kam, keine Wahl mehr zu haben.
Als ich von der Insel zurückkam, fand ich mich in einem sehr engen Rahmen wieder, war in vielem sehr eingeschränkt, musste mit dem, was ich hatte, irgendwie klarkommen.
Und lernte mit der Zeit, das Beste für mich daraus zu machen. Das was ich hatte, wachsen zu lassen. Mir selbst die Gelegenheit zu geben, da reinzuwachsen. Flucht war nicht mehr möglich, obwohl ich noch lange den Impuls dazu verspürte, und es mir dadurch sicher nicht leichter machte.

Ich weiß nicht, ob es was mit dem Älterwerden zu tun hat, oder ob es durch den Burn Out kam, nachdem ich mich erstmal vollkommen kraftlos wiederfand. Es war zunächst kein wirkliches Begreifen, so nach dem Motto: " O.K., jetzt ändere ich mich total."

Vielleicht war es einfach nur die leise Erkenntniss, daß ich nicht mehr so weitermachen kann, wie bisher, und nach einer Zeit der Verzweiflung darüber, die innere Bereitschaft, das Alte loszulassen, und mich zu öffnen, für das was kommen mag.

Und was dann so kam, das waren einfach wirklich Geschenke, die mir das Leben brachte:
Eine Wohnung, in der ich durch eine Phase der Einsamkeit zu mir selber finden konnte, einen Blog, den ich völlig ahnungslos und unbedarft begann und in den ich hineinwachsen konnte, und dabei eine Menge toller Leute kennenlernte, unter anderem eine Frau im Norden, die mir ihre Freundschaft und ihr Vertrauen schenkte, und mir einer der wichtigsten Menschen in meinem Leben wurde, ein Job, in den ich hineinwachsen konnte, und lernte, wie man mit Konflikten umgeht und sie übersteht ohne zu fliehen, viele Möglichkeiten, Neues zu lernen, Menschen, die auf mich zukamen, und von mir Neues lernen wollten.
Eins, zwei, drei, vier Jahre gingen ins Land, und ich stelle erfreut und auch erstaunt fest, daß ich gar nicht mehr weglaufen will.
Daß ich mich einlassen will und kann.
Daß ich weder die Nase voll habe, noch mich irgendwie aufgearbeitet oder erschöpft habe in diesem Leben.
Im Gegenteil - und das ist für mich das Erstaunlichste.

Bei all dem glaube ich, daß ich immer flexibel geblieben bin.
Daß ich komplett neu anfangen könnte, wenn ich es müsste, da ich es schon so oft in meinem Leben gemacht habe.
Daß es gut war, in die große weite Welt zu ziehen, weil ich vielleicht sonst immer Sehnsucht danach gehabt hätte, hätte ich es nicht getan.
Und ich glaube, daß ich, die Unbeständige, die Unentschlossene, die Flatterhafte, diesen Weg gehen musste, um irgendwo ankommen zu können.
Hier. Jetzt.

Und wenn es ein äußeres Zeichen für diese Kontinuität gibt, die sich nach und nach in mein Leben geschlichen hat, dann sind es meine Haare. Diese wachsen elendig langsam. Niemals habe ich sie so lange wachsen lassen, immer schnitt ich sie mir, ungeduldig, mich nach irgendeiner Veränderung sehnend wieder ab, bevor sie so lang werden konnten, wie ich es mir eigentlich immer gewünscht habe.



Und, sie sind mir immer noch nicht lang genug!


Einen Schönen Abend und ein Schönes Wochenende Euch Allen!

:-)
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